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Seminar im Wintersemester 2022/2023 im Rahmen des Lehrauftrages von Rechtsanwältin Dr. Anna Oehmichen an der Justus-Liebig-Universität Gießen

Strafvollzug und Strafvollstreckung in Europa

„Den Grad der Zivilisation einer Gesellschaft kann man am Zustand ihrer Gefangenen ablesen.“ Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821-1881)

Der Staat hat kein schärferes Schwert als das Strafrecht. Seit Abschaffung der Todesstrafe ist der Freiheitsentzug der gravierendste staatliche Eingriff in die Menschenrechte des Einzelnen. Was Freiheitsentzug aber konkret bedeutet, welchen Haftbedingungen Gefangene unterworfen werden, welche Regeln im Gefängnis gelten – auf dem Papier und in der Realität – sind Fragen, die von immenser praktischer Bedeutung sind. Und wie ist das in anderen EU-Staaten und Mitgliedern des Europarates? Gibt es Mindeststandards und gemeinsame Regeln, die überall gelten? Unter welchen Bedingungen wird man frühzeitig entlassen? Wann wird die Strafe unterbrochen? Welche Einflüsse hat die Pandemie auf den Strafvollzug gehabt? Angehende Rechtsanwält*innen, Richter*innen und Staatsanwält*innen, die bei der Anwendung des Strafrechts täglich Freiheitsstrafen verhängen, voll-strecken, oder über sie verhandeln, sollten dies nur tun, wenn sie auch wissen, wovon sie sprechen. Dieses Seminar setzt sich zum Ziel, die Kenntnisse der Studierenden in diesem praktisch relevanten Bereich zu vertiefen und insbesondere auch Einblicke in die Vollzugspraxis zu erlangen.

Das Seminar wird im WS 2022/2023 im Schwerpunktbereich 7 (Kriminalwissenschaften) als hybri-des Blockseminar am 3. – 5. Februar 2023 angeboten. Der Ort der Veranstaltung wird noch be-kannt gegeben. Besondere praktische Einblicke in den heutigen Strafvollzug wird uns der
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ausgewiesene Strafvollzugsrechtsexperte und Rechtsanwalt Prof. Dr. Helmut Pollähne gewähren. Evtl. können wir uns auch noch mit weiteren europäischen Praktikern zur Thematik austauschen.

Die Vorbesprechung findet am 21.10.2022 um 16 Uhr virtuell statt.

Im Rahmen der Vorbesprechung werden die Einzelheiten für die Durchführung des Seminars mit den Anwesenden abgestimmt. Die Teilnehmerzahl ist auf 10 Personen begrenzt; Interes-sent*nnen melden sich bitte unter Nennung von drei Themenvorschlägen und unter Angabe ihrer Fachsemesterzahl unter bis zum 15.10.2022 verbindlich an. Per E-Mail werden die Einwahldaten zur Teilnahme an der Videokonferenz den Studierenden rechtzeitig bekannt gegeben. Die endgültige Themenvergabe findet bei der Vorbesprechung statt.
Folgende Themen zur Bearbeitung werden angeboten:

 

Folgende Themen zur Bearbeitung werden angeboten:

I. Allgemeine Einführung
1. Von der Inquisition zum offenen Vollzug: Historie des Strafvollzuges in Europa
2. Grundprinzipien des Strafvollzuges und der Strafvollstreckung
3. Europäische Mindeststandards bei Freiheitsentziehung
4. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Freiheitsentzug in Europa
5. Aktuelle Rechtsprechung des EGMR zum Strafvollzug

II. Besondere Themen
6. Haft „gefährlicher Straftäter“ – Präventivhaft im europäischen und/oder historischen Vergleich (polizeiliche Vorbeuge- und Schutzhaft im NS-Regime, Sicherungsverwahrung und Polizeigewahrsam, auch im Rechtsvergleich und unter Berücksichtigung der EGMR-Rspr.)
7. Die Auslieferungshaft – rechtliche Grundlagen und Lücken – bedarf es eines Auslieferungshaftvollzugsgesetzes?
8. Bestrebungen der Europäischen Kommission zur Regelung von Mindeststandards im Untersuchungshaftvollzug
9. Besonderheiten des Frauenvollzugs im Rechtsvergleich
10. Besonderheiten des Jugendvollzugs im Rechtsvergleich
11. Der Rahmenbeschluss Freiheitsstrafen (1) und seine Umsetzung in §§ 84 ff IRG
12. Mechanismen zur Überwachung der Haftbedingungen: Der Antifolterausschuss der Vereinten Nationen (CAT) und des Europarates (CPT)
13. Menschenrechtswidrige Haftbedingungen als Auslieferungshindernis

Die Themen weisen teilweise Bezüge zum Europarecht, Völkerrecht, Strafvollzugs- und Strafvollstreckungsrecht auf. Vorwissen in den betreffenden Bereichen ist von Vorteil, aber nicht erforderlich. Ebenso sind gute Kenntnisse der englischen oder einer weiteren Fremdsprache für einige Themenbereiche von Vorteil.

pdf zum download

(1) Rahmenbeschlusses 2008/909/JI des Rates vom 27. November 2008 über die Anwendung des Grundsat-zes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der Europäischen Union (ABl. L 327 vom 5.12.2008, S. 27), der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI (ABl. L 81 vom 27.3.2009, S. 24) geändert worden ist.
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